Prozessfinanzierung

Zugang zum Recht ohne Kostenrisiko
Prozessfinanzierung
Das Institut der Prozessfinanzierung ist in Deutschland eine noch relativ wenig bekannte Möglichkeit, einen Anspruch vor Gericht durchzusetzen, ohne mit dem Risiko der Prozesskosten belastet zu sein. Das betrifft vor allem Rechtssuchende. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Psephos im Auftrag des Handelsblatts und der Unternehmensberatung Droege & Comp. kennen nur 39% der deutschen Topmanager in Deutschland überhaupt das Institut der Prozessfinanzierung und nur 3% der Befragten haben sie überhaupt schon einmal in Anspruch genommen.

Nach einer Umfrage der Humboldt-Universität zu Berlin geben hingegen 98% der Anwälte an, das Institut der Prozessfinanzierung zu kennen, jedoch haben 77% keinen guten Überblick über den Prozessfinanzierungsmarkt und nur 33% der Anwälte klären ihre Mandanten regelmäßig über eine solche Möglichkeit auf.

Häufigste Fehler

  • Interessenten fragen ihren Rechtsanwalt nicht nach der Möglichkeit einer Prozessfinanzierung.
  • Interessenten sehen von einer Verfolgung ihrer Ansprüche aus finanziellen Gründen ab, ohne Prozessfinanzierungsangebote eingeholt zu haben.
Der Markt der Prozessfinanzierer in Deutschland.

Dabei gibt es Prozessfinanzierer nun schon seit über 10 Jahren auf dem deutschen Markt. Während in der Euphoriephase des „Neuen Marktes“ zwischenzeitlich bis zu 20 Anbieter auf dem Markt agierten, existieren heute noch ca. ein Dutzend Unternehmen der gewerblichen Prozessfinanzierung. Darunter finden sich Ableger von großen Versicherungsunternehmen, wie die Allianz ProzessFinanz, die D. A. S. Prozessfinanzierungs-AG oder die Roland ProzessFinanz AG, die dieses Tätigkeitsfeld als lukrative Ergänzung zu ihrer Rechtsschutzversicherungssparte erkannt haben. Aber auch unabhängige Anbieter bieten Rechtssuchenden ihre Dienste an, wie die FORIS AG – seit 1998 der erste Anbieter auf dem deutschen Markt – die Prozess Garant AG oder die Juragent AG, um nur einige zu nennen.

Unter den „Vollsortimentlern“, bei denen Interessenten mit Ansprüchen aus allen möglichen Rechtsgebieten um eine Finanzierung anfragen können, nimmt die ACIVO Prozessfinanzierungs-AG eine Sonderstellung ein. Hier wird ein Schwerpunkt in der Tätigkeit auf das Kapitalanlagerecht gelegt. Dazu kann die ACIVO AG auf ein seit dem Jahr 2001 aufgebautes Netzwerk von Spezialkanzleien aus dem Kapitalanlagerecht als Gutachter zurückgreifen. Überdies existieren noch einige Unternehmen, die sich auf die Finanzierung von Rechtsstreitigkeiten nur in bestimmten Rechtsgebieten spezialisiert haben, wie die Proxx AG (Baurecht) oder die erst seit 2008 am Markt agierende kochan juris Prozessfinanzierung (Kapitalanlagerecht).

Für wen ist eine Prozessfinanzierung nun interessant?

Grundsätzlich kommt die Prozessfinanzierung für alle Interessenten in Frage, die vor Gericht einen geldwerten Anspruch durchsetzen wollen. Die Gründe dafür, das Kostenrisiko der gerichtlichen Auseinandersetzung nicht selbst tragen zu wollen, können vielfältig sein. So kann es die finanzielle Lage des Anspruchsstellers beispielsweise nicht zulassen, einen eigentlich bestehenden Anspruch durchzusetzen, weil schon die Gerichtskosten und der Vorschuss auf das Anwaltshonorar eine zu große Belastung darstellen. Oder eine Rechtsschutzversicherung deckt das Gebiet nicht ab oder ist eventuell gar nicht vorhanden. Mittelständische Unternehmen mit geringem Eigenkapital und begrenzter Liquidität können mittels Prozessfinanzierung „auf Augenhöhe“ Großkonzernen gegenübertreten. Auch ist es durch eine Prozessfinanzierung nicht nötig, Rückstellungen für Prozesskostenrisiken zu bilden und dadurch die Bilanz zu belasten. Ebenso eignet sie sich für Insolvenzverwalter, die bestehende Ansprüche zur Masse trotz schmaler Insolvenzkasse durchsetzen wollen.

Gerade gegenüber einer Rechtsschutzversicherung, sollte denn das potenzielle Risiko überhaupt versicherbar sein, bietet die Prozessfinanzierung einen Vorteil. Denn bei einer Rechtsschutzversicherung zahlt der Interessent regelmäßig seine Versicherungsbeiträge, egal ob ein Rechtsstreit zu führen ist oder nicht. Bei der Prozessfinanzierung treten Kosten nur dann auf, wenn wirklich ein Rechtsstreit zu führen ist und dieser tatsächlich auch gewonnen wird. Dann verlangt der Finanzierer eine prozentuale Beteiligung am Erlös der Rechtsverfolgung.

Womit wir bei der Frage wären, wie eine Prozessfinanzierung abläuft.

In der Regel sehen die Prozessfinanzierer einen Mindeststreitwert vor, ab dem eine Finanzierung überhaupt erst übernommen wird. Dieser kann bei niedrigen 10.000 € liegen (z. B. bei der ACIVO AG), jedoch auch 500.000 € betragen (z. B. Juragent AG). Dass hat seinen Grund darin, dass der eigentlichen Finanzierungszu- oder -absage eine aufwendige gutachterliche Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsstreits vorausgeht, die für den Anfragenden jedoch kostenlos ist. Da die Kosten dieser Prüfung somit auf Seiten des Finanzierers verbleiben, ist die Annahme zur Prüfung für diesen natürlich nur dann sinnvoll, wenn eine spätere Erlösbeteiligung diese Kosten deckt.

Die Anfrage zum Prozessfinanzierer kann durch den Interessenten selbst oder durch dessen beauftragten Anwalt geschehen. Im zweiten Fall ist darauf zu achten, dass die Vollmacht des Interessenten/Mandanten an den Anwalt diesen dazu berechtigt, mandatsspezifische Informationen an den Prozessfinanzierer weiterzugeben, da sich der Anwalt sonst wegen Parteiverrats strafbar macht. Für die oben genannte Prüfung der Erfolgsaussichten verlangen die Prozessfinanzierer grundsätzlich einen Klageentwurf mit allen Anlagen ab.

Kommt der Prozessfinanzierer zu einem negativen Prüfungsergebnis, lehnt er die Finanzierung ab. Kosten entstehen dadurch für den Interessenten von Seiten des Finanzierers wie beschrieben nicht.

Kommt der Prozessfinanzierer zu einem positiven Prüfungsergebnis, wird mit dem Interessenten ein Finanzierungsvertrag gesellschaftsrechtlicher Struktur geschlossen, der die gegenseitigen Rechte und Pflichten festschreibt und eine stille Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche an den Prozessfinanzierer sicherheitshalber vorsieht.1

Alle verfahrensbeendenden Maßnahmen, wie Klagerücknahme oder Vergleich, dürfen dann vom Kläger nur noch mit Zustimmung des Prozessfinanzierers vorgenommen werden. Der Finanzierer trägt das gesamte Kostenrisiko der Rechtsverfolgung zunächst für eine Instanz, also eigene Anwaltskosten, Gerichtskosten, Sachverständigenkosten und im Falle des Unterliegens auch die Rechtsanwaltskosten der beklagten Partei. Wird der Prozess gewonnen, erhält der Finanzierer die vorgelegten Kosten erstattet und darüber hinaus einen Anteil am Erlös der Rechtsverfolgung. Dieser kann je nach Anbieter und Höhe des Erlöses zwischen 20 Prozent und 50 Prozent liegen, eventuell auch in einzelnen Progressionsstufen. Der Interessent zahlt also dem Prozessfinanzierer gegenüber nur dann etwas, wenn er selbst durch den Rechtsstreit auch einen finanziellen Vorteil erringt.

Fazit:

Die Prozessfinanzierung gehört somit heute neben der Rechtsschutzversicherung zu den etablierten Möglichkeiten, Ansprüche vor Gericht ohne eigenes Kostenrisiko durchzusetzen. Sie dient damit der „Waffengleichheit“ vor Gericht und sorgt so für materielle Gerechtigkeit, da die Prozessfinanzierung es Interessenten ermöglicht, Ansprüche durchzusetzen, die sonst aus wirtschaftlichen Gründen nicht verfolgbar wären. Darüber hinaus sichert die Prozessfinanzierung die Honoraransprüche des Rechtsanwalts gegenüber seinem Mandanten ab.

Wichtige Tipps

  • Stellen Sie Ihre Prozessfinanzierungsanfragen besser über einen Rechtsanwalt mit entsprechender Vollmacht zur Weitergabe von Daten.
  • Selektieren Sie schon vorher nach Finanzierern, welche auf das betreffende Rechtsgebiet spezialisiert sind.
  • Reichen Sie möglichst vollständige Unterlagen weiter, das beschleunigt das Ergebnis der Finanzierungsprüfung.